Virtuelle und hybride Generalversammlungen: professionelle Beratung zur Durchführung der GV

Einführung: Was ist eine virtuelle Generalversammlung?

Eine virtuelle Generalversammlung ist eine GV, die ausschliesslich elektronisch stattfindet, ohne physische Anwesenheit der Aktionärinnen und Aktionäre. Sie unterscheidet sich von hybriden Modellen, bei denen sowohl physische als auch elektronische Teilnahmeoptionen vorgesehen sind. In der Schweiz hat die Aktienrechtsrevision 2023 neue Bestimmungen zur virtuellen Generalversammlung eingeführt, wodurch diese bei entsprechender statutarischer Grundlage nun als zulässig gilt. Unternehmen können durch eine solche GV ihr Aktionariat unabhängig vom Tagungsort erreichen und insbesondere Aktionären im Ausland eine Mitwirkungsmöglichkeit an der GV bieten. So kann eine GV auch in Zeiten einer Pandemie abgehalten werden. Der Gesetzgeber hat dabei Regelungen festgelegt, um sicherzustellen, dass eine virtuelle GV ordnungsgemäss durchgeführt wird und Aktionärsrechte gewahrt bleiben.

Rechtliche Grundlagen und Voraussetzungen in der Schweiz

Mit der Aktienrechtsrevision 2023 wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für virtuelle Generalversammlungen in Art. 701d701f OR verankert:

  • Statutarische Grundlage: Gem. Art. 701d OR müssen die Statuten der Gesellschaft die Möglichkeit zur Durchführung einer virtuellen Generalversammlung vorsehen.
  • Unabhängiger Stimmrechtsvertreter: Der Verwaltungsrat muss gem. Art. 701d Abs. 1 OR in der Einberufung einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter bezeichnen. Bei Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind, können gem. Art. 701d Abs. 2 OR die Statuten vorsehen, dass auf die Bezeichnung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters verzichtet werden kann. Ein Beschluss, der den Verzicht auf einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter vorsieht, bedarf eines qualifizierten Quorums (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 15 OR).
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  • Einhaltung der Vorschriften für elektronische Mittel: Gem. Art. 701e Abs. 1 OR muss der Verwaltungsrat die Verwendung elektronischer Mittel regeln. Dabei müssen die Voraussetzungen von Art. 701e Abs. 2 OR erfüllt sein. Der Verwaltungsrat muss sicherstellen, dass:
    • Die Identität der Teilnehmer feststeht;
    • Die Voten in der Generalversammlung unmittelbar übertragen werden;
    • Jeder Teilnehmer Anträge stellen und sich an der Diskussion beteiligen kann; und
    • Das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann.
  • Technische Probleme: Wenn technische Probleme auftreten, die die ordnungsgemässe Durchführung der GV verunmöglichen, muss diese gem. Art. 701f OR wiederholt werden. Jedoch bleiben die Beschlüsse, welche die Generalversammlung vor dem Auftreten der technischen Probleme gefasst hat, gültig.

Für die hybride Generalversammlung ist Art. 701c OR massgebend. Dieser besagt, dass Aktionäre, die nicht am Ort der Generalversammlung anwesend sind, ihre Rechte auf elektronischem Weg ausüben können.

Ablauf der GV

1. Einberufung und Vorbereitung

Die Einberufung der GV erfolgt gemäss den statutarischen Vorgaben und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen. Der Verwaltungsrat versendet die Einladung fristgerecht an die Aktionäre in der vorgeschriebenen Form (d.h. auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form). Die Einladung enthält:

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  • Datum und Uhrzeit der GV
  • Traktandenliste mit den zur Abstimmung stehenden Punkten
  • Technische Anweisungen zur Teilnahme an der virtuellen Sitzung
  • Zugangsdaten zur gesicherten Plattform mit Multi-Faktor-Authentifizierung
  • Fristen und Modalitäten für die Stimmabgabe sowie für die Einreichung von Fragen oder Wortmeldungen

Die meisten Unternehmen wählen für ihre virtuelle oder hybride GV einen technischen Dienstleister aus, der eine sichere virtuelle Plattform für die Durchführung bereitstellt. Diese Plattform muss regulatorische Anforderungen erfüllen, insbesondere hinsichtlich Datenschutz, Vertraulichkeit und Manipulationssicherheit. Die Verwendung der elektronischen Mittel sowie die elektronischen Kanäle werden in einer Probe geprüft.

2. Eröffnung der GV und Identitätsprüfung

Zum angekündigten Zeitpunkt loggen sich die Aktionäre über die bereitgestellte Plattform ein. Die Identifikation erfolgt mittels einer Multi-Faktor-Authentifizierung oder anderer sicherer Verfahren, um unbefugte Zugriffe zu verhindern.

Die Versammlung wird durch den Vorsitzenden (in der Regel der Verwaltungsratspräsident oder eine bevollmächtigte Person) eröffnet. Anschliessend erfolgt:

  • Die Feststellung der ordnungsgemässen Einberufung und der Beschlussfähigkeit
  • Die Genehmigung der Traktandenliste
  • Die Bestätigung der Stimmrechte und Vertretungen (z.B. durch den unabhängigen Stimmrechtsvertreter)

3. Präsentation der Traktanden und Diskussion

Der Vorsitzende oder andere Vortragende präsentieren die einzelnen Traktanden, etwa:

  • Jahresbericht und Jahresrechnung,
  • Gewinnverwendung,
  • Entlastung des Verwaltungsrats,
  • Wahlen und sonstige Anträge.

Aktionäre können sich per Live-Chat oder Video zu Wort melden, sofern die Plattform dies ermöglicht. Fragen, die im Vorfeld eingereicht wurden, werden durch den Verwaltungsrat oder andere zuständige Personen beantwortet.

4. Elektronische Abstimmung und hybride Teilnahmeoptionen

Während der Versammlung können die Aktionäre ihr Stimmrecht durch eine gesicherte elektronische Abstimmung ausüben. Dabei gelten folgende Grundsätze. Jede Stimme wird eindeutig einem stimmberechtigten Aktionär zugeordnet, und die Stimmabgabe ist manipulationssicher und nachvollziehbar.

Die Teilnahme an der GV kann auch hybrid ausgestaltet werden. Aktionäre haben also die Möglichkeit, entweder physisch oder virtuell anwesend zu sein. In beiden Fällen wird die Stimmabgabe entsprechend den gesetzlichen Anforderungen durchgeführt.

Der unabhängige Stimmrechtsvertreter sorgt dafür, dass die Abstimmungen und Beschlüsse gemäss den gesetzlichen Bestimmungen ordnungsgemäss durchgeführt werden. Er überwacht den gesamten Abstimmungsprozess, stellt die korrekte Erfassung der Stimmen sicher und achtet auf die Einhaltung aller Regularien.

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5. Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse

Nach Abschluss der Abstimmungen werden die Ergebnisse automatisch ausgewertet und in Echtzeit auf der Plattform veröffentlicht. Der Vorsitzende gibt die Resultate offiziell bekannt und erläutert gegebenenfalls das weitere Vorgehen.

6. Protokollierung und Abschluss

Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse wird die GV durch den Vorsitzenden geschlossen. Nach Abschluss der GV erfolgt eine elektronische Protokollierung, um die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen sicherzustellen.

Das Protokoll wird gemäss den gesetzlichen Vorgaben archiviert und den Aktionären zur Verfügung gestellt.

Vorteile einer virtuellen Generalversammlung

  • Effizienz und Kosteneinsparungen: Die virtuelle GV reduziert Kosten für den Tagungsort, Personal und physische Infrastruktur.
  • Grössere Reichweite: Aktionäre können ohne Reiseaufwand elektronisch teilnehmen, wodurch das Aktionariat besser eingebunden wird.
  • Flexibilität und Nachhaltigkeit: Eine GV, die virtuell oder hybrid durchgeführt wird, reduziert den CO₂-Fussabdruck.
  • Sicherheit und Transparenz: Elektronische Abstimmungssysteme minimieren das Risiko von Manipulationen und sorgen für eine nachvollziehbare Beschlussfassung.

Herausforderungen und Best Practices

  • Datensicherheit gewährleisten: Eine verschlüsselte Kommunikation sowie manipulationssichere elektronische Mittel sind essenziell.
  • Technische Probleme vermeiden: Unternehmen sollten vorab technische Tests  der elektronischen Hilfsmitteln und Proben durchführen und Notfallpläne bereithalten.
  • Aktionärsrechte wahren: Die Bestimmungen zur virtuellen Generalversammlung verlangen interaktive Fragemöglichkeiten und transparente Moderation.
  • Kommunikation optimieren: Klare Anleitungen und ein technischer Support helfen, Unsicherheiten zu reduzieren.

Fazit

Die Neuerungen der Aktienrechtsrevision 2023 schaffen die Grundlage für die zunehmende Nutzung der virtuellen Durchführung der Generalversammlung. Hybride Modelle, die sowohl physische als auch elektronische Teilnahme ermöglichen, dürften sich langfristig als bevorzugte Lösung etablieren. Der Verwaltungsrat spielt eine entscheidende Rolle bei der ordnungsgemässen Einberufung und der Sicherstellung der Bestimmungen für virtuelle Generalversammlungen. Unternehmen profitieren von effizienteren Prozessen, während das Aktionariat flexiblere Teilnahmeoptionen erhält. Die Covid-Pandemie hat gezeigt, dass virtuelle GV eine praxisnahe Alternative sind, und durch die gesetzlichen Regelungen bleiben sie auch künftig ein integraler Bestandteil moderner Unternehmensführung.

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